Das Leben in Cambridge bringt die gängigen USA-Vorurteile ins Wanken. Ich habe grosse Mühe damit, mich ungesund zu ernähren. Erst gestern entdeckte ich zufälligerweise einen McDonald’s. Unglücklicherweise hatte ich vorher ein „toasted vegetarian“ Sandwich verschlungen und mit einem biologischen Eistee (ohne Zucker oder – nett ausgedrückt – ungesüsst) runtergespült. Das war fast schon zu viel des Guten und verdarb mir den Nachmittag, weil ich nicht mal mehr Lust auf ein Eis hatte. Überhaupt ist die Umgebung ist wirklich toll: nette Bars, kleine Restaurants (kein Franchising), schummrige Weinkeller und sogar fast schon Europäisch anmutende Bäckereien. Alles nicht ganz günstig, aber was solls.
Fast schon unheimlich schnell hat sich bei der Arbeit eine Art Routine eingeschlichen: die Meetings könnten jeweils um die Hälfte gekürzt werden, der Kampf um die Klimaanlage dauert an (ich schalte sie jeweils aus, der Chef wieder an) und ich drückte mich bisher erfolgreich vor der Entgegennahme jeglicher Anrufe (weil ich immer noch keinen Zugriff zu unserem Projektmanagement-Tool habe). Das fensterlose Büro schlägt aufs Gemüt; überraschenderweise verlegte der Chef während eines schönen Sommertages die anberaumte Sitzung nach draussen – bis mein Kollege von einer winzigen Biene „umflogen“ und es ihm damit zu viel wurde. Zur Rechtfertigung des neuerlichen Verkriechens ins schummrige Büro wurden aber auch andere Argumente vorgebracht: ungenügender WLAN-Empfang und Glossy-Bildschirme (ich muss zugeben, das hat was).
Übrigens war ich zum ersten Mal bei einem Kunden in Downtown Boston vor Ort. Schick gekleidet wie gewünscht (Khaki-Hosen in grau, ausgesprochen „Gkäähkiis“) und dazu passendes Hemd, inkl. brauner Lederschuhe. We like to present ourselves in a professional way. Well, der Kunde war eine hippe, junge PR- und SocialMedia-Agentur: weit und breit keine Hemden zu sehen, von glänzenden Schuhen ganz zu schweigen. Irgendwie passte unser Auftritt dann doch nicht ganz.
Das Highlight der Woche war aber definitiv die (der?) erste paystub. Ob das Geld allerdings je auf meinem Konto eintreffen wird wage ich zu bezweifeln, da ich mich für eine elektronische Überweisung entschieden hatte. Verbucht wurde bisher nichts; das mag aber am long weekend liegen. Memorial Day steht an: Paraden und Popcorn, Veteranen, Salzbrezel und Popcorn, Pepsi „next“ (free sample), Händeschütteln (!) und zuwinken. Das war unterhaltsam, übertrieben aber auch eindrücklich: „we all give some, some gave all“.